Di. Jul 16th, 2024

Hat dieses Ergebnis Auswirkungen auf die Parteienlandschaft insgesamt?

Es hat nicht die Bundespräsidentenwahl Auswirkungen auf die Parteienlandschaft, sondern es hat die Veränderung in Struktur und Stärke der Parteienlandschaft massiv auf die Bundespräsidentenwahlen durchgeschlagen.

Jetzt verwende ich eine Formulierung, die man mit dem Bundespräsidenten assoziiert: Erfüllt Sie diese Entwicklung mit Sorge?

Es ist eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung. Unser politisches System verändert sich. Wir haben 1945 dort fortgesetzt, wo die Demokratie Ende der 20er-, Anfang der 30er-Jahre geendet hat. Weil sich das beim Wiederaufbau enorm bewährt hat, hat es ein großes Beharrungsvermögen der politischen Strukturen gegeben. Diese Erstarrung und diese geringe Modernisierungsdynamik haben dazu geführt, dass der „alte Parteienstaat“ in seinen tradierten Formen immer mehr an Substanz verloren hat. Die zentrale Aufgabe der Parteien, verschiedene Meinungen zu abstimmbaren Alternativen zu bündeln, bleibt ein fixer Bestandteil der Demokratie. Aber sie muss unter sich rapide verändernden Rahmenbedingungen erfüllt werden.

Müsste man nicht die politischen Spielregeln an die neuen Gegebenheiten anpassen?

Eines der besonders schwierigen Kapitel ist das Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Da stehen Machtfragen so im Vordergrund, dass es eine nicht gelöste Aufgabe ist, das Verhältnis zwischen Bundes- und Landesebene fit zu machen für das 21. Jahrhundert.

Was sind die Gründe dafür, dass sich das Machtverhältnis im Laufe der Jahrzehnte zu Gunsten der Bundesländer verschoben hat?

Weil die politischen Parteien einen Dezentralisierungsprozess durchgemacht haben und die Bindungskraft in den politischen Parteien schwächer geworden ist. Die pluralistische Gesellschaft hat die Zentralautorität der Parteien untergraben. Ein Landeshauptmann hat eine stabilere Position als ein Regierungschef im Bund.

Das heißt, der Bundeskanzler ist eigentlich in einer zu schwachen Position.

Es geht nicht speziell um den Bundeskanzler, sondern um die Bundesregierung als Ganzes und auch um die Regierungsparteien, die als Bundesparteien in wachsendem Maß auf ihre regionalen Kräfte Bedacht nehmen müssen. Bei Änderungen in der Zusammensetzung der Bundesregierung wird uns oft in sichtbarer Weise vor Augen geführt, wie sehr von Seiten der Länder auf die Regierungspolitik und auch auf die Zusammensetzung der Bundesregierung Einfluss genommen wird.

Wie vor Kurzem durch den Wechsel der Innenministerin nach Niederösterreich.

Das haben jetzt Sie als Beispiel genannt.

QUELLE. Die Presse vom 2.7.16