Fr. Nov 22nd, 2024

Nach der Legende wollte der heilige Martin nicht Bischof werden. Und fast wäre tatsächlich alles ganz anders gekommen – entscheidend war in seinem Leben ein Mantel.


Die gute Tat
Seine Bekanntheit war schon zuvor seit einem besonderen Ereignis stetig gewachsen: Mit 15 Jahren – also im Jahr 331/332 – in das römische Heer eingetreten, traf er wenige Jahre später gemeinsam mit anderen Soldaten am Stadttor von Reims auf einen fast unbekleideten Bettler. Der Legende nach kümmerte trotz des eisigen Winters keinen seiner Begleiter das Schicksal des frierenden Mannes. Martin jedoch wollte helfen.

Da er außer seiner Uniform und seinem Schwert nichts bei sich hatte, teilte er kurzerhand seinen Mantel in zwei Stücke und gab eines davon dem Bettler. Das soll ihm den Spott seiner Mitsoldaten eingebracht haben.
Doch St. Martin ließ sich nicht beirren: In der folgenden Nacht erschien ihm Jesus im Traum und dankte ihm für die gute Tat. Denn in der Gestalt des Bettlers habe Martin dem Gottessohn selbst geholfen: „Martinus, der noch nicht getauft ist, hat mich mit diesem Mantel bekleidet“, soll Jesus zu Martin gesagt haben.
Erster Heiliger, der nicht Martyrer war
Von da an war das Leben des Martin von Tours ganz vom christlichen Glauben geprägt. Er ließ sich taufen und trat, so bald ihm das möglich war, aus dem Militär aus. Martin wurde Priester und lebte zunächst als Einsiedler. Um 360 gründete er in Ligugé in der Nähe des französischen Poitiers das erste Kloster des Abendlandes. Im Jahre 375 baute er in der Nähe von Tours ein weiteres Kloster: Marmoutier. Dort fanden sich bald Gleichgesinnte, die mit ihm ein Leben in Einfachheit, Gebet und persönlicher Besitzlosigkeit lebten. Martin wurde als Ratgeber und Nothelfer bekannt. Als einige Jahre später ein neuer Bischof von Tours gesucht wurde, waren sich die Menschen schnell einig, dass es Martin werden sollte.
Es waren die Gänse, die den heiligen Martin verrieten – das sagt zumindest die Legende: Danach war Martin im Jahr 372 dazu ausersehen worden, Bischof von Tours zu werden. Aus Bescheidenheit und aus Respekt vor dem hohen Amt soll er sich jedoch in einem Gänsestall versteckt haben, um der neuen Aufgabe zu entgehen. Doch das Geschnatter der Tiere war wohl unüberhörbar. Am 4. Juli des gleichen Jahres wurde St. Martin zum Bischof geweiht.

Anders als die Gänse-Legende, sagt die Bischofs-Episode von Martins Biografen Sulpicius Severus mehr über Person des Heiligen: Martin will nicht Oberhirte werden und wartet im Versteck, dass die Bürger jemand anderen zum Bischof wählen. Die aber verfallen auf eine List. Sie schicken Rusticus zu ihm, der weiß, wo ihr Kandidat zu finden ist. Der erzählt Martin von seiner sterbenskranken Frau, die noch einmal mit Martin sprechen möchte. Und der überlegt nicht lange, weil er helfen will. Er verlässt sein Versteck – und wird zum Bischof gewählt. Er war ein Mensch, der nicht lange überlegt, sondern handelt und hilft.
Der Tod erreichte St. Martin erst im hohen Alter von 81 Jahren, am 8. November 397. Seine Beerdigung fand am 11. November unter großer Anteilnahme der Bevölkerung statt. Als er zur Ehre der Altäre erhoben wurde, war Martin von Tours einer der ersten Heiligen, die nicht den Märtyrertod gestorben waren, sondern allein durch ihr vorbildliches Leben überzeugten. Ausgehend von Frankreich breitete sich seine Verehrung schnell aus. Dort soll es schon bis zum Ende des Mittelalters mehr als 3.500 Martinskirchen gegeben haben. Diszipliniertes Mönchtum, Gerechtigkeitssinn und Weltzugewandtheit wurden durch Martin zum Ideal für Mönche und Priester. Bis heute gilt der heilige Martin als Patron der Schneider, Bettler, Geächteten und Kriegsdienstverweigerer. Sein Grab in der neuen Martinsbasilika von Tours ist eine bedeutende Wallfahrtsstätte.
Noch immer aktuell
Nicht nur aufgrund seines Wirkens, sondern auch wegen des Brauchtums rund um seinen Namen ist St. Martin heute einer der bekanntesten und beliebtesten Heiligen – vor allem bei den Kindern. Jedes Jahr am 11. November ziehen sie mit bunten Laternen durch die dunklen Straßen und singen Martinslieder. Nicht selten werden sie dabei von einem Reiter mit römischem Helm und Purpurmantel begleitet, der an die berühmte Mantelteilung des Heiligen erinnert. Bekannt sind auch die Martinswecken als Gebäck und in einigen Regionen die Martinsfeuer.
Der Brauch, Martinsgänse zu verzehren, ist schon einige Hundert Jahre alt: Einst war der 11. November der letzte Tag im Wirtschaftsjahr und zugleich der letzte Tag vor einer sechswöchigen vorweihnachtlichen Fastenzeit. Grund genug für die Menschen, ein Festmahl zu feiern. Noch heute müssen die Gänse für den Verrat ihrer gackernden Vorfahren büßen – zumindest symbolisch. Rund um den Martinstag am 11. November landen immer noch unzählige der gefiederten „Verräter“ im Bräter. (gho/msc/luk)