Franz Grillparzer
Grillparzer und seine Zeit
Grillparzer lebte zu einer Zeit, in der sich der Zerfall der Habsburger Monarchie ankündigte, weil das Bürgertum zunehmend an Macht und Einfluss gewann und die Aristokratie aus ihrer Machtposition zu verdrängen suchte. Kaiser Josef II., Maria Theresias Nachfolger, unterstützte mit seinen Reformen das Bürgertum in seinen Bestrebungen, was für die Adeligen eine große Bedrohung darstellte. Die allmählich zerbröckelnde Monarchie war von einem riesigen bürokratischen Netz umspannt, das jegliche Aktivität hemmte.
Auch Grillparzer erlag diesem passiven Gefühl und der Angst vor Entscheidungen, was die folgende Passage aus dem Drama „Bruderzwist im Hause Habsburg“ erschließen lässt.
„Zudem gibt’s Lagen, wo ein Schritt voraus,
und einer rückwärts gleicherweis verderblich,
da hält man sich denn ruhig und erwartet,
bis frei der Weg, den Gott dem Rechten ebnet.“
Grillparzer war sich des Zersetzungsprozesses der Monarchie, der bereits im Gange war, voll bewusst. Da er aber nicht mitansehen wollte, dass sein geliebtes Österreich durch politische Umschwünge dem Untergang entgegensteuerte, war sein sehnlichster Wunsch die Erneuerung Österreichs im positiven Sinn. Seiner Ansicht nach gab es damals in Österreich kein für die Durchführung einer Revolution geeignetes Bürgertum. Daher bedeutete für ihn die Revolution von 1848 nicht den Beginn einer neuen Ordnung, sondern einen weiteren Schritt auf dem Wege der Zerstörung Österreichs. Denn mit der Revolution von 1848 und dem damit verbundenen Deutschnationalismus war der österreichische Nationalitätenstaat aufs äußerste bedroht. Im Falle einer Zersplitterung Österreichs sollte auch Wien die zentrale Machtstellung verlieren, das als ein Schmelztiegel verschiedener Nationalitäten ein Abbild der Habsburgermonarchie im Kleinen repräsentierte.
Zugleich kam es auch in anderen Ländern der Habsburgermonarchie wie in Ungarn, Böhmen und Kroatien zu nationalen Bewegungen. Grillparzer kämpfte mit aller Kraft gegen die zerstörerischen Elemente des Liberalismus und des Nationalismus an. Grillparzers große Sorge um das Fortbestehen des österreichischen Nationalitätenstaates geht aus den folgenden Worten, die er in sein Stammbuch schrieb, klar hervor:
„Hast du vom Kahlenberg dir rings das Land besehn,
so wirst du, was ich schrieb und was ich bin, verstehn.“